Ich habe mein halbes Leben auf dem Pferd verbracht, habe früher auch Pferde ausgebildet und an kleineren Turnieren teilgenommen, aber war überwiegend und am liebsten Freitzeitreiter ohne große sportliche Ambitionen.
Früher war man, wie du wohl selbst auch erlebt hast, noch weniger zimperlich mit den Pferden, sie wurden einfach noch mehr als "Nutztiere" gesehen, die genauso ihre Arbeit verrichten mussten wie Menschen das müssen. Allerdings war auf der anderen Seite früher der Sport noch nicht so kommerzialisiert. Top-Pferde kosteten noch keine Millionen, und auch bei den größten Turnieren gab es nur ein paar tausend Mark zu gewinnen, die sich die Platzierten teilen mussten.
Heutzutage geht alles hauptsächlich um (sehr viel) Geld. Darum werden auch die Ausbildungsmethoden immer perfider, die Dopingmethoden immer raffinierter, und Erfolge werden nicht mehr sportlich, sondern mit den Ellenbogen und anderen Mitteln erkämpft. Jedenfalls habe ich das über die Jahre im Turniersport auch hinter den Kulissen so erlebt, und genau deshalb bin ich seit Jahrzehnten komplett weg von Dressur und Springen. Ich schaue mir die Wettbewerbe auch nicht mehr im TV an. Schon gar nicht in der Dressur, wo inzwischen völlig überzüchtete Strampelpferde hochgepunktet werden, die nur noch mittels höchstem Stress und Knebelei völlig exaltierte Bewegungen demonstrieren, die nichts mehr mit klassischer, pferdegerechter Ausbildung, wie ich sie kenne und schätze, zu tun haben.
Genau aus dem Grund schaue ich aber weiterhin den Vielseitigkeitsreitern zu, weil ich weiß, dass es dort anders zugeht. Nirgends im Top-Sport werden Pferde so artgerecht behandelt und ausgebildet wie dort, und zwischen den Buschreitern und ihren Pferden besteht ein ganz besonders intensives Vertrauensverhältnis. Ohne dieses bedingungslose Vertrauen in seinen Reiter und seine eigenen Fähigkeiten würde kein Pferd über eine so anspruchsvolle Geländestrecke gehen. Die VS-Pferde sind Top-Athleten und werden heute, da die Strecken doch erheblich entschärft sind im Gegensatz zu früher, auch nicht damit überfordert.
Man hat gerade in Paris keinen Reiter gesehen, der mit einem erschöpften Pferd nach Hause kam, auch keinen, der sein Pferd mit Peitschenunterstützung über die Sprünge getrieben hätte, und Stürze, die früher an der Tagesordnung waren, kommen heute auch kaum noch vor. Verletzen kann sich ein Pferd auch auf der Koppel, es sind nunmal Lauftiere, die über Stock und Stein fegen, wenn sie Bewegungsdrang haben.
Wenn man dann noch bedenkt, dass die meisten der VS-Pferde einen sehr hohen Vollblutanteil haben, also von Natur aus sehr nervig und temperamentvoll sind, spricht es doch Bände, sie vollkommen relaxed und ausgeglichen in allen drei Disziplinen gehen zu sehen.
Kurz gesagt - leid tun mir Pferde wie Totilas, die Zeit ihres Lebens keine Koppel gesehen haben und 23 Stunden am Tag bis zum Kinn eingepackt in Bandagen in ihrer Box stehen, weil sie zu wertvoll sind, um sie wie ein Pferd leben zu lassen, und die schon bei einer Siegerehrung so nah am Herzkasper sind, dass sie noch nicht mal eine Ehrenrunde mitlaufen können, ohne komplett auszuticken. Die Vielseitigkeitspferde führen dagegen ein glückliches, artgerechtes Leben, davon habe ich mich immer wieder überzeugen können.
Positive Ausnahmen im Dressur- und Springsport gibt es natürlich auch immer, wahrscheinlich auch aktuell, das kann ich nicht gut beurteilen. Ich werde hier bei Olympia mal ausnahmsweise den ein oder anderen Blick in die Dressurwettbewerbe riskieren, bezweifele aber, dass ich es lange ertragen werde.