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  1. #1

    Zunahme von Gewalt und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft?

    Schon lange beobachte ich besorgt, wie die Bereitschaft zu Gewalt und auch die tatsächliche Gewaltausübung in der Gesellschaft immer mehr zunimmt. Ich glaube nicht mehr daran, dass nur meine Wahrnehmung sich verändert hat. Mir kommt der Umgang miteinander im Kleinen wie im Großen immer häufiger rücksichtslos und egoistisch vor, und besonders fassungslos machen mich Angriffe auf Rettungskräfte, Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegepersonal. Immer wieder frage ich mich: Was geht in den Menschen vor, die Rettungskräfte angreifen?

    Da es hier zwar schon Threads zur Gewalt gegen Frauen und zur Gewalt gegen Männer gibt, jedoch noch keine Diskussion zum Thema Gewalt ganz allgemein, möchte ich diese Diskussion einmal anstoßen. Insbesondere interessiert mich, wie Ihr das erlebt, ob Ihr meine Sorge teilt und vor allem, ob Ihr Ideen habt oder kennt, wie man diese Entwicklung rückgängig machen kann.


    "Angeschubst" wurde ich durch drei Meldungen aus der heutigen Presse, die unterschiedliche Formen der Gewalt zeigen, die ich aber alle irgendwie als "typisch" empfinde:

    „Bilder zeigen nur Spitze des Eisberges“ :Berlins Politik spricht über Angriffe auf Ärzte und Pflegekräfte

    Ein Video zeigt, wie in der Notaufnahme der Sana-Klinik in Berlin-Lichtenberg drei Männer auf Arzt und Pfleger einprügeln. In vielen Rettungsstellen ist Gewalt üblich.



    Auch wenn es noch nicht zu unmittelbarer Gewalt gekommen ist, scheint doch ein erheblicher Teil der aufgebrachten Landwirte, die auf Habecks Fähre gewartet hatten, gewaltbereit gewesen zu sein. Was wollte sie eigentlich tun? Habeck verprügeln oder von Bord werfen?!

    https://www.tagesschau.de/inland/ges...tsiel-100.html


    Auch ein Fall von mutmaßlicher Selbstjustiz gehört m.E. zum Thema:
    Block-House-Erbin sagt aus: Sie gab den Auftrag zur Aktion




    Für Interessierte: In der Morgenpost steht auch ein interessanter Artikel dazu, wie es sich anfühlt, von der eigenen Mutter entführt zu werden https://www.morgenpost.de/vermischte...zu-werden.html




    Auch wenn Gewalt im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen vielleicht nochmal eine eigene Kategorie ist, gehört auch dieser Aspekt wohl zum Thema. Es macht mich immer wieder sprach- und fassungslos, was Menschen einander antun können. Ich nenne nur die Stichworte Butscha und Hamas-Überfall aus Gaza auf Israelis. Selbst vor Babys und Kleinkindern wird nicht Halt gemacht, selbst sie werden ungeheuerlichen Quälereien ausgesetzt. Wie entmenschlicht kann man sein?!

    Ich frage mich: Gibt es zwischen der Alltagsgewalt - physisch oder psychisch - und solchen Eskalationen einen Zusammenhang? Und wie kann man dem entgegenwirken?
    Geändert von chatte03 (16-06-2024 um 09:01 Uhr)

  2. #2
    Danke für das Thema, Chatte. Mir macht es auch zu schaffen; auf so vielen Ebenen, dass ich jetzt erst einmal gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

    Also von meiner Seite zunächst mal nur einen Link zum Einstieg.

    "Die Autokratien scheinen überall zu übernehmen", sagte Horx. Aber jeder Trend erzeuge auch einen Gegentrend. "Es ist notwendig, dass die Zivilgesellschaft Antworten auf den bösartigen Populismus findet und neue Formen von Bewegungen und Parteien die Demokratie reformieren können."
    https://www.zeit.de/gesellschaft/202...mnikrise-trump

  3. #3
    Gibt es denn überhaupt eine allgemeine Zunahme von Gewalt und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft (im Vergleich zu welchen Zeitpunkten?) oder ist das eher ein subjektiver Eindruck aufgrund der Art und Weise der medialen Berichterstattung?

  4. #4
    Genau das gehört ja zu den Fragen, die mich bewegen. "Gefühlt" nehmen Rücksichtslosigkeit und Egoismus zu, auch Aggressionen in Alltagssituationen. Ob das durch Statistiken belegt werden kann, weiß ich nicht.

    Beispiel Straßenverkehr: In den letzten Jahren gab es mehrfach Meldungen, in denen von tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Verkehrsteilnehmern berichtet wurde. Früher wurde mal gehupt, aber dann weitergefahren. Heute kann es einem passieren, dass jemand aus dem Auto springt und ein Messer zückt, wenn er sich im Recht fühlt. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas vor dem Jahrtausendwechsel je gehört oder gelesen zu haben.

    (@Descartes: Für mich ist der relevante Vergleichszeitraum vom Ende des 2. Weltkriegs bis heute, also unsere Zivilgesellschaft in ihrer Verfasstheit auf Basis des Grundgesetzes.)

    Oder im Kleinen, Harmlosen: An einer Ampelkreuzung in Berlin-Mitte, direkt vor dem Haus, in dem ich bis vor kurzem gewohnt habe, musste ich zu meinem Parkplatz immer rechts abbiegen. Das bedeutete, bei grüner Ampel erstmal zahlreiche Radfahrer (und E-Scooter) durchzulassen. Da dort viele Studis und Touristen (oft in Gruppen als Sightseeing-Truppen per Bike) unterwegs sind, können das bei einem Ampelwechsel mal 20 bis 30 Radler sein. Dann springt die Ampel wieder auf Rot um, bevor auch nur ein einziges Auto rechts abbiegen konnte. Verschärft wird das durch Radler, die noch bei Rot an den Autos vorbei über die Kreuzung fetzen. Wenn man dann per Auto selbst endlich den Abbiegevorgang eingeleitet hat und die Radler schon Rot haben, trotzdem aber noch einer vorbeiprescht und man wieder abbremsen muss, dann wird ein Hupen gern mal mit dem Stinkefinger beantwortet... Heißt: Wer im Unrecht ist, beleidigt mal eben noch den, dem er sein Recht nimmt...


    Ganz anderer Aspekt: Amokläufe und terroristische Attentate. Gab es vor 40, 50, 60 Jahren auch Menschen, die bewusst LKWs in einen belebten Weihnachtsmarkt steuerten, um möglichst viele Menschen zu töten? Oder die bei einem Konzert oder in einer Schule / Uni plötzlich wahllos um sich schossen? Wie viele solch schrecklicher, sinnloser Taten gibt es heute? Es vergeht nach meinem Empfinden (wieder ohne Statistik) kaum eine Woche, in der nicht irgendwo auf der Welt jemand so ausrastet und andere wahllos ins Unglück reißt. Was ist da los?

    Mir scheint übrigens, dass solche Vorfälle überwiegend in den USA und Europa passieren. Wenn das stimmt, warum ist das so?

    Danke @Mieze, dass Du den Blick auch auf die autoritären politischen Regime richtest. Ja, das scheint mir auch ein weiterer schlimmer Aspekt zu sein, dass autoritäre Parteien und Ideologien immer mehr Boden gewinnen.

    Nach meinem Empfinden hängt das alles in unguter Weise zusammen. Während auf der einen Seite gegendert wird wie nie und ständig von Wertschätzung die Rede ist, fehlt diese auf der anderen Seite immer häufiger und wird durch Rücksichtslosigkeit ersetzt.

    Mag sein, dass die Entwicklung in Großstädten und speziell vielleicht auch in Berlin drastischer ist als anderswo; wir sind ja gerade aufs Land gezogen und hier scheint es noch freundlicher zuzugehen. Dennoch ist das ja eine Sache, die die gesamte Gesellschaft betrifft.
    Geändert von chatte03 (06-01-2024 um 09:21 Uhr)

  5. #5
    Das ist doch nun offensichtlich das es eine zunahme der Gewaltbereitschaft gibt. Schon alleine gegenüber den Rettungskräften und der Polizei.
    Was es so vor ein paar Jahren nicht gab. Aber heutzutage wird ja ein Täter mehr in Schutz genommen als irgendwelche Einsatzkräfte, und das zieht natürlich Kreise.
    Dann kommen noch die ganzen Migranten dazu, die eine andere Gesellschaftseinstellung haben als wie hier gängig ist. Aber man ist ja gleich wieder Rechts.

  6. #6
    Fire and Blood Avatar von manial fly
    Ort: Nashville
    Ich fahre seit neun Jahren Auto und ich bin wirklich jemand der sich an die Regeln und Geschwindikeitsbegrenzungen hält und ich werde seit neun Jahren im Straßenverkehr regelmäßig genötigt.
    Da war wirklich schon alles dabei, letzte Woche noch wurde ich in eine Kurve gefährlich überholt weil ich in einer 70er Zone 70 gefahren bin. Wäre ich 80 oder 90 gefahren, hätte er mich vermutlich trotzdem überholt. Mein Fahrlehrer meinte damals zu mir, es gibt Leute die können kein Auto vor sich haben.
    Lange Rede kurzer Sinn, ich weiß nicht ob Autofahrer aggressiver geworden sind, denn seit dem ich Auto fahre verhält sich der Großteil der Autofahrer scheiße.

    Bzgl. Amokläufe oder Anschläge, da sehe ich eher keinen Zusamnenhang. Bei den Amokläufen - sowohl in den USA, als auch hier - waren die Täter meistens psychisch labil. Gut das kann durchaus in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben. Aber wenn jemand mit einer Waffe z.B. in einer Schule um sich schießt und sich am Ende selbst tötet, dann steckt da schon mehr hinter als nur aggressives, impulsives Verhalten. So eine Person hatte m.M. nach dann wirklich große Probleme.

    Die ganzen Terroranschläge in den letzten Jahren, waren ja größtenteils islamisch geprägt. Das ist m.M. nach noch wieder ne andere Schiene. Die Terroristen werden da ja komplett mit ihrer Religion gebrainwashed. Dass der Hass vorallem gegen die westliche Welt geht, hängt denke ich viel damit zusammen das wir (vorallem die USA), sich zu viel bei den arabischen Ländern eingemischt haben. Der IS ist ja z.B. erst durch den letzten Irakkrieg entstanden.

    Dann haben wir noch die Gewaltaten des allgemeinen Pöbel, wie jetzt bei der Habeck Geschichte oder an Silvester. Gefühlt stimme ich zu, da ist das mehr geworden. Aber ka ob es wirklich so ist?
    Durch Social Media bekommt man sowas ja viel mehr mit, gleichzeitig vermute ich aber auch, das Social Media auch wieder zu so etwas anstachelt. Wenn einer mit sowas anfängt gibt es viele Nachzügler.

    Ansonsten habe ich aber das Gefühl das einige in unserem Land den Respekt vor dem Gesetz verloren haben. Ich weiß nicht ob das Reichsbürger sind, welche unseren Staat sowieso nicht anerkennen, oder Leute welche ein Problem mit unserer Regierung haben und meinen sie müssen Gesetze nicht befolgen, oder Islamisten die dem Gesetz ihrer Religion folgen statt dem unseres Staates. Vermutlich von allem etwas.

  7. #7


    "Achtung, Achtung - zur Gewährleistung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung ..."

    https://youtube.com/shorts/9dFnu9wZi...ZYnComEC8Z3nkc
    "Es genügt nicht nur sich keine Gedanken zu machen, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken." (Karl Kraus)

  8. #8
    Zitat Zitat von chatte03 Beitrag anzeigen
    Genau das gehört ja zu den Fragen, die mich bewegen. "Gefühlt" nehmen Rücksichtslosigkeit und Egoismus zu, auch Aggressionen in Alltagssituationen. Ob das durch Statistiken belegt werden kann, weiß ich nicht.


    (@Descartes: Für mich ist der relevante Vergleichszeitraum vom Ende des 2. Weltkriegs bis heute, also unsere Zivilgesellschaft in ihrer Verfasstheit auf Basis des Grundgesetzes.)


    Ganz anderer Aspekt: Amokläufe und terroristische Attentate. Gab es vor 40, 50, 60 Jahren auch Menschen, die bewusst LKWs in einen belebten Weihnachtsmarkt steuerten, um möglichst viele Menschen zu töten?


    Die RAF etwa in den 1970ern hat ja sehr gezielt gemordet und nebenbei noch ein paar zufällige Opfer in Kauf genommen. Genauso aber auch zügellose Polizeigewalt gegen Demonstriernde. Oder die Attentate aufs Oktoberfest 1980 und die Olympiade 72. Auch war Gewalt gegen eigene Kinder bis 2000 bis zu einer gewissen Grenze erlaubt und bis 1997 Vergewaltigung in der Ehe kein Strafbestand. In den 80ern war extreme Gewalt in der Hooliganszene üblich. In den 90ern gab es etliche rassistische Attentate auf Migrantinnen und Migranten, darunter auch viele Morde.

    Die Bundesrepublik hat schon viel Gewalt gesehen.

    Vielleicht hat Descartes Recht?

  9. #9
    Wir leben im Zeitalter des Hasses.
    Überall wir gehetzt und gehasst.
    Im Internet wird man aufgehetzt und der Hass schägt dann auf das reale Leben rüber.
    Die Hemmschwelle ist so tief wie noch nie.

  10. #10
    Natürlich wird das immer schlimmer. Die Leute werden aufgehetzt durch Springer-Presse, AfD und Co. Ihnen wird eingeredet, dass es uns allen unglaublich sch... geht, dass die bösen Politiker ale Verbrecher sind, dass Täter mehr geschützt werden als Opfer, dass Migranten Schuld an allem sind, dass es Zeit ist dagegen aufzustehen usw usw. Zusätzlich leben viele dann in ihren Blasen in denen man sich gegenseitig ununterbrochen bestätigt. Irgendwann denken viele dann, dass es zum Beispiel auch völlig berechtigt ist den Vize-Kanzler auf einer Fähre zu bedrängen oder vor Privathäusern von Politikern nachts mit Laternen aufzumarschieren. Die geben allen anderen die Schuld an ihrem (vermeintlich oder tatsächlich) verkorksten Leben und fühlen sich noch im Recht, schließlich "muss man doch was tun". Und es wird noch schlimmer werden, wie in Amerika, wir erleben hier genau das Gleiche mit etwas Verzögerung. Eine Lösung dieses Problems gibt es nicht, dem muss vorher mit Bildung und Erziehung entgegengewirkt werden.

  11. #11
    Nash
    unregistriert
    Zitat Zitat von Descartes Beitrag anzeigen
    Gibt es denn überhaupt eine allgemeine Zunahme von Gewalt und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft (im Vergleich zu welchen Zeitpunkten?) oder ist das eher ein subjektiver Eindruck aufgrund der Art und Weise der medialen Berichterstattung?
    Zumindest die polizeilich erfassten Fälle von Gewaltkriminalität sind seit 20 Jahren relativ gleich geblieben bzw. haben sie eher etwas abgenommen (Höchstzahl 2007: knapp 218.000, 2021 ein Tiefststand von knapp 165.000, der mit Sicherheit auch zu einem gehörigen Teil auf Corona und die Maßnahmen zurückzuführen ist, und seitdem steigt er wieder an, siehe Link bei Statista).

    Wir haben auf jeden Fall einen gewaltigen Unterschied in der Wahrnehmung, der mit großer Sicherheit auf die Informationsflut bzw. -möglichkeiten durch das Internet und soziale Medien zurückzuführen ist. Noch vor 30 Jahren war eine "normale" Straftat eine lokale Sache, die in Radio, Fernsehen und Printmedien oft gar nicht überregional stattfand oder maximal eine Randnotiz war (Ausnahme BILD etc.). Mit der Zunahme der Fernsehsender und einer skandalheischenderen Berichterstattung beim Kampf um die Quoten änderte sich das im Laufe der Zeit, und mit dem Internet nahm es erst recht Fahrt auf.
    So ist es heute leicht den Eindruck zu bekommen, dass ständig überall etwas passiert (aber das war schon immer so. Es war einem nur nicht so nahegebracht worden) und dass es immer schlimmer wird, was zumindest statistisch bisher eben nicht belegbar ist, zumindest nicht allgemein. Es gibt aber eine Menge Menschen, die sich radikalisiert haben, was darauf zurückzuführen ist, dass diejenigen heute eine viel größere Möglichkeit haben, sich entsprechende Informationen zu besorgen, seien diese auch noch so geographisch fern von einem, so wirkt es heute wie gesagt näher, und die Schwierigkeiten zwischen sachlichen und aufgebauschten Berichten oder gar Fakes zu unterscheiden, stellen ein großes Problem dar. Ebenso ist es heute viel leichter, "Gleichgesinnte" zu finden. Früher blieb das in der Familie, im Bekanntenkreis oder im Verein oder der Kneipe, und oft genug traf man mit seiner radikaleren Meinung auf Ablehnung. Die erfährt man in den entsprechenden Gruppen bei den sozialen Medien viel seltener, aber dafür viel Zuspruch von den anderen im Sinne von "endlich sagt mal jemand die Wahrheit" etc.
    Da braucht es dann aus solchen Gruppen nur wenige, die Gewalt eh schon zugeneigter sind (dafür gibt es viele Hintergründe: Selbst erfahrene Gewalt, die Kultur/Erziehung, sozioökonomische Umstände und vieles mehr), und dann hat man am Ende im Extremfall einen Anders Breivik, der sich jahrelang vor allem durch das Internet ein entsprechendes Weltbild geformt hat, das ihn dazu brachte, die Jugend (!) der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Norwegens als legitimes Ziel für seinen Verteidigungswahn einer angeblich von der Mehrheit gewollten Kultur zu sehen.

    Wir sind jedenfalls in einer Welt des Wandels, in der Jobs durch die Globalisierung, Automatismus und KI gefährdet sind, und gleichzeitig hat sich seit dem Ende der Sowjetunion und dem "Sieg" des Westens und vor allem der USA im Kalten Krieg (bzw. schon vorher unter Reagan) der Kapitalismus selbst radikalisiert, mit der Auswirkung, dass die Reichsten unfassbar vermögend und noch einflussreicher wurden, was meiner Meinung nach das System nochmal beschleunigt hat. So werden heutzutage Menschengruppen gegeneinander ausgespielt (zum Beispiel die Nichtvermögenden gegen Immigranten), vor allem mit dem Ziel, dass bloß für nötige Investitionen nicht die Reichsten belangt werden. Der absurde Effekt des Ganzen ist, dass die Mittelschicht mit dazu beiträgt, weil ihnen oft vorgemacht wird, dass mit höheren Abgaben auf Reichtum auch sie betroffen seien. Gleichzeitig werden besonders von der Extrem-Rechten, inzwischen auch Teilen der Konservativen (und inzwischen oft genug auch der Linken) dann besonders die Ärmsten ("sind ja eh nur faul") und Immigranten als Sündenböcke vorgeschoben, was gerade durch die ständige Berichterstattung über die natürlichen Probleme bei der Integration anderer Kulturen zu einer besonderen Gefühlskälte gegenüber diesen Gruppen führt.
    Langer Rede kurzer Sinn: Das Gemeinschaftsgefühl der Gesellschaft erodiert, ebenso wie sich das Gefühl einer Bedrohung bei vielen verstärkt, die zu oft nicht verstehen, dass Staat und Volk das Gleiche und eben nicht Gegner sind. Und bei diesen verstärkt sich der empfundene Druck, das Gefühl der Ablehnung und auch der mangelnden Solidarität.

    Wenn sich nun wegen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen die Stimmung verschlechtert und die Menschen auch weniger Hoffnung haben, dass dafür eine Lösung gefunden wird, dann werden sie empfänglicher für die Radikalität, und da gibt es eben doch in der Gesellschaft, dem Netz und nun auch in der Politik die Rattenfänger, die sich die Sorgen und die Wut vieler zu eigen machen und sie weiter verschärfen, wodurch das Vertrauen ins System noch mehr nachlässt. Ohne dieses Vertrauen in das System und mit der Hetze gegen vermeintliche Verantwortliche gibt es dann auch wieder mehr Verständnis für Gewalt.

    Sieht man ja auch hier im Forum.
    Geändert von Nash (06-01-2024 um 11:24 Uhr)

  12. #12
    vonne Pufferbude Avatar von Karl Napp
    Ort: Sag ick nich. +g+
    Zitat Zitat von Descartes Beitrag anzeigen
    Gibt es denn überhaupt eine allgemeine Zunahme von Gewalt und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft (im Vergleich zu welchen Zeitpunkten?) oder ist das eher ein subjektiver Eindruck aufgrund der Art und Weise der medialen Berichterstattung?
    kann sein. möchte ich nicht ausschließen.

    chatte verlinkte das vorkommnis im sana-klinikum. hatte ich grad kurz vorher drüber gelesen.
    die leitung der klinik sucht nach den "mutigen" männern, die sich dazwischen stellten, möchte sich bei denen
    offiziell bedanken.

    nun waren die zu dritt. einerseits warnte schon immer die polizei davor, sich aktiv zu beteiligen. das kann
    nämlich schnell für den "mutigen" gefährlich werden. man solle lieber hilfe rufen.

    nun ja, ich hatte vor jahren (war noch mobiler) kleinigkeit erlebt: hatte in der friedrichstraße zu tun.
    nahm eine rolltreppen (bahnhof) zum bahnsteig hoch.
    wobei das wurscht ist, ob rolltreppe und nur treppe.
    es gibt und gab schon immer menschen, die es besonders eilig haben. man drängelte, schubste und
    beschimpfte diejenigen, die im weg waren.

    holla die waldfee. und genauso gehts in den supermärkten zu. in den öffentlichen fahrzeugen, wie u-bahn, bus
    und s-bahn. ich hab aber schon den eindruck - von diversen messerstechereien u. a. delikten (alter mann wird
    vom bahnsteig geschubst, junge frau u-bahn-treppen runter), dass dies zunimmt. ??

    es gibt soziale brennpunkte, schwierigkeiten ... aber kann man dies als "entschuldigung für ausraster" nehmen?
    genauso wie man oft genug von psychischen problemen spricht, die irgendein mensch zu gewalttaten antreibt?

    das ist mir zu einfach.

  13. #13
    ich sach ma so..... Avatar von Flurfunk
    Ort: Kaffeeküche
    Für mich ist die größte "Krankheit" unserer Zeit grenzenloser Egoismus. Jeder verlangt, dass auf seine Bedürfnisse und Empfindungen gefälligst Rücksicht genommen zu werden hat. natürlich eskaliert das, wenn so ein Egoist einem anderen Egoisten gegenübersteht. Wer unter die Räder kommt, sind Leute, die sich zurückziehen und nichts mehr sagen. Warum auch, wenn sie von der Gegenseite z.B. gerne beschuldigt werden, irgendwie *phob zu sein.
    "Man selbst ist ja leider perfekt. Der Einzige, der sich benehmen kann. Und sonderbarerweise ärgert genau das die anderen..."(Mikael Niemi)

  14. #14
    homo novus Avatar von caesar
    Ort: milchstrasse
    Zitat Zitat von Flurfunk Beitrag anzeigen
    Für mich ist die größte "Krankheit" unserer Zeit grenzenloser Egoismus. Jeder verlangt, dass auf seine Bedürfnisse und Empfindungen gefälligst Rücksicht genommen zu werden hat. natürlich eskaliert das, wenn so ein Egoist einem anderen Egoisten gegenübersteht. Wer unter die Räder kommt, sind Leute, die sich zurückziehen und nichts mehr sagen. Warum auch, wenn sie von der Gegenseite z.B. gerne beschuldigt werden, irgendwie *phob zu sein.
    Ob die Zeit bis 1914, wo der einzelne seine Bedürfnisse hinter die der Gesellschaft stellen musste, besser war, eher nicht....

  15. #15
    Ernstderlageverkenner Avatar von Antananarivo
    Ort: auf Ingo
    Betrachtet man rein statistisch die Fälle von Gewaltkriminalität in den letzten 20 Jahren, gab es zwar Schwankungen, jedoch keine Zunahme. https://de.statista.com/statistik/da...kriminalitaet/

    Betrachtet man registrierte Straftaten allgemein, wird es noch deutlicher.
    https://de.statista.com/statistik/da...and-seit-1997/
    Und das, obwohl Straftatbestände dazugekommen sind, wie Mieze bereits schrieb (Gewalt gegenüber den eigenen Kindern, Vergewaltigung in der Ehe).

    Das Gefühl, dass das gesellschaftliche Klima rauer geworden ist, habe ich auch. Zwischen gefühltem Erleben und der Realität gibt es aber Unterschiede. Ein ganz wesentlicher Faktor ist aus meinem Dafürhalten die mediale Berichterstattung und das Mediennutzungsverhalten allgemein. Betrachte ich die Welt beinahe ununterbrochen durch soziale Medien und bekomme nur das in die Timeline gespült, was ohnehin meiner vorgefassten Meinung entspricht, muss sich das logischerweise potenziert anfühlen. Und selbst die klassischen Medien schwimmen auf der Welle mit.

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